Geoid

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Das Geoid ist eine Bezugsfläche im Schwerefeld der Erde zur Vermessung und Beschreibung der Erdfigur. In guter Näherung wird das Geoid durch den mittleren Meeresspiegel der Weltmeere repräsentiert und ist damit in seiner Form außerhalb der Landmassen sichtbar.

Erdschwerefeld: Lotlinie durch P, Geoid (V = Vo und Äquipotenzialflächen Vi

Das Potenzial der Erdschwere ist an jedem Ort der Geoidfläche gleich. Die natürliche Lotrichtung und das Geoid stehen in jedem Punkt senkrecht zueinander. Daher kann das Geoid durch Messen der Schwerkraft (Gravitation) bestimmt werden. Zwei beliebige Punkte auf dem Geoid haben das gleiche Schwerepotential und deshalb die gleiche Höhe.

Von den unendlich vielen, ähnlich Zwiebelschalen um den Erdmittelpunkt geschachtelten Flächen mit konstantem Schwerepotential (Äquipotenzialflächen) wurde diejenige als Geoid ausgewählt, welche dem mittleren Meeresspiegel bestmöglich entspricht. Denn der mittlere Meeresspiegel kann durch Pegelbeobachtung erdumspannend als Bezugsfläche für Höhenmessungen und Schweremessungen bestimmt werden.

Die europäischen Länder haben Meerespegel an verschiedenen Küstenorten z. B. Amsterdam (Normal Null) und Triest (Meter über Adria) für die Bestimmung des Geoids als Höhenbezugsfläche vermessen.

Geoidundulationen. Oben: Relativ zum Referenzellipsoid, unten: Relativ zur hyrostatischen Gleichgewichtsfigur der rotierenden Erde (=Hydostatisches Sphäroid)

Die Bestimmung der Geoidfläche erfolgte anfangs durch astronomische Bestimmung der Lotrichtung und durch einzelne örtlichen Schweremessungen mit dem Gravimeter. Die Höhenvermessung der Meeresoberfläche durch Satellitenaltimetrie und die Verdichtung der Schweremessung durch die Landesvermessungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verbesserten die Genauigkeit der Geoidbestimmung wesentlich. Heute dominieren die Verfahren der Satellitengeodäsie die Bestimmung des Erdschwerefeldes.

Die genauen Messungen der Satelliten zeigen das Geoid als eine unregelmäßige Fläche mit vielen Beulen und Dellen. Diese werden durch Anomalien der Erdschwere und der Verteilung der Erdmassen verursacht. Wegen seiner unregelmäßigen Form ist das Geoid mathematisch sehr schwer zu beschreiben. Die praktische Landesvermessung und Kartografie benötigt aber eine mathematisch einfach definierte Erdfigur als Bezugsfläche für Berechnungen und Kartenabbildungen. Solche Bezugsflächen sind meist Rotationsellipsoide, welche das Geoid gut approximieren. Diese mathematisch definierten Flächen können aber nicht direkt durch Messen physikalischer Größen bestimmt werden.

Deshalb muss für die praktische Handhabung die Abweichung zwischen der physikalischen und messtechnisch erfassbaren Beschreibung (Geoid) sowie der mathematischen und für Berechnungen geeigneten Beschreibung (Rotationsellipsoid) der Erdfigur bestimmt werden.

Die Abweichungen des Geoids von einem Referenzellipsoid (ED50, WGS84, GRS80) werden als Geoidundulation bezeichnet und können regional bis 100 m Höhenunterschied ausmachen.

Das Geoid ist ein physikalisches Modell der Erdfigur, das von Gauß (1828) und Johann Benedict Listing (1808-1882) entwickelt wurde – im Gegensatz zum geometrischen Modell des Erdellipsoids. Die Bezeichnung "Geoid" geht auf Listing zurück, der es 1871 als Fläche gleichen Schwerepotenzials beschrieb.


Geoidbestimmung

Die derzeit genaueste Geoidbestimmung erfolgt durch die Satelliten CHAMP und GRACE. Bei solcher Geoidbestimmung mit Satelliten analysiert man jene Bahnstörungen, die durch die Unregelmäßigkeit der Erdfigur und der Massenerteilungen im Erdinnern auf Umlaufbahnen wirken. Man kann aber auch vom Satellit mittels Altimetrie die Form der Meeresoberfläche direkt messen. Hierbei stellte man allerdings fest, dass die mittlere Meeresoberfläche (also Gezeiten und Wellen herausgemittelt) um bis zu etwa 50 cm von der Geoidfläche abweicht. Die Meeresoberfläche stellt also genaugeommen nicht exakt eine Niveaufläche dar, sondern weicht aufgrund großräumiger Meereströmungen minimal davon ab.

Die Geoidbestimmung kann außerdem mit Methoden der Astrogeodäsie oder gravimetrisch erfolgen. Die Methode des Astro-Geoids (Messung der Lotabweichung) wurde schon vor 100 Jahren erprobt und war lange Zeit die genaueste, erfordert aber festen Boden. Derzeit wird sie an der Universität Hannover und der Technischen Universität Wien mittels CCD automatisiert.

Bei der Gravimetrie wird das Geoid über die Messung der Schwerkraft bestimmt. Das Problem hierbei ist, dass man die Schwerkraft flächig und großräumig messen muss, um das Geoid an einzelnen Punkten zu bestimmen. Daher ist global diese Methode zu ungenau, regional lässt sich die Genauigkeit des Geoids jedoch durch Schweremessungen verbessern.

Vereinzelt besteht die irrige Meinung, dass überall auf dem Geoid die Schwerkraft g denselben Betrag hat. Das ist auf Niveauflächen schon wegen der Fliehkraft der Erdrotation unmöglich. Vom Pol zum Äquator sinkt g von 9,83 auf 9,78 m/s2.


Ursachen der Geoidundulationen

Die Ursachen für die langwelligen Geoidschwankungen (Geoidundulationen) liegen in großräumigen Dichtevariationen im Erdmantel und zu geringerem Maße auch in der Erdkruste. Eine anomal höhere Gesteinsdichte erzeugt eine zusätzliche Gravitationsbeschleunigung und beult somit das Geoid aus, geringere Dichten führen zu "Dellen" im Geoid. Aber auch die Topographie selbst stellt eine lateral variable Massenvariationen dar und führt zu Geoidundulationen. Die Ursache für Dichtevariationen im Erdmantel liegt in der Mantelkonvektion: heiße Mantelregionen sind weniger dicht und steigen auf (man nennt sie u. a. auch mantle plumes), kalte, dichte Regionen sinken ab. Man würde nun also über aufsteigenden Konvektionsströmen "Dellen" im Geoid erwarten, über abtauchenden Konvektionsströmen (beispielsweise über Subduktionszonen) "Beulen". Dies stimmt im Großen und Ganzen für den West-Pazifik mit den Beobachtungen überein. Die Sache wird aber dadurch komplizierter, dass aufsteigende Konvektionsströme die Erdoberfläche sebst auch anheben (Beispiel Island, Hawaii). Die dadurch erzeugte Topographie bezeichnet man als "dynamische Topographie". Hierdurch wird die eigentliche negative Geoidundalation abgeschwächt, und kann sogar positiv werden. Ein Beispiel hirführ scheint Island zu sein. Zu allem Überfluss hängt der Effekt der dynamischen Topographie auch noch von der Viskosität des Erdmantels ab und ist schwierig zu quantifizieren. Heutzutage benutzt man Information aus der Seismologie, um Dichten im Mantel abzuschätzen und das Geoid und die dynamische Topographie zu berechnen und kann dann aus Vergleich mit dem beobachteten Geoid Rückschlüsse auf die Mantelvioskosität ziehen.

Zusammengefasst: Dichteanomalien im Erdmantel auf Grund von Mantelkonvektion und mit ihnen verbundenen Topographievariationen sind die Ursache für den Hauptteil der beobachteten Geoidundulationen.

Siehe auch:

Geopotenzial, Erdschwerefeld, Niveaufläche,Gravitationsfeld

Erdbeschleunigung, Schwerkraft, Schweregradient, Schwereanomalie

Quasigeoid, Erdellipsoid, Gravimetrie

Literatur

[1] Reigber, Christoph; Schwintzer, Peter: Das Schwerefeld der Erde. Physik in unserer Zeit 34(5), S. 206 - 212 (2003), ISSN 0031-9252.

[2] Groten, Erwin: Geodesy and the Earth's Gravity Field - Vol.I Principles and Conventional methods; Bonn, 1979.

[3] Intergovermental Committee On Surveying & Mapping: Geocentric Datum of Australia - Technical Manual, Version 2.2; PDF, Stand: 2005.

[4] Torge, Wolfgang: Geodäsie; Berlin, New York, 1975.

[5] Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG): Geoid / Schwerefeldmodellierung; BKG, Stand: 2005.

Weblinks